7.2.2017, 10 Uhr

Uncertain States: Ein Rückblick auf das Ausstellungsprojekt

Mit über 9.400 Ausstellungsbesuchern und 7.500 Gästen in über 100 Veranstaltungen ging am 15. Januar 2017 das Ausstellungsprojekt „Uncertain States – Künstlerisches Handeln in Ausnahmezuständen“ in der Akademie zu Ende.

Seit dem Beginn der Planungen im Herbst 2015 und der Projekteröffnung am 14. Oktober 2016 hat sich der Titel „Uncertain States“ mit politischen Ereignissen immer neu aufgeladen. Der Brexit, die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA, der Ausnahmezustand in der Türkei, die Fortsetzung des brutalen Krieges in Syrien, der Terroranschlag in Berlin, der Rechtspopulismus in Europa: Die Erfahrung, in unsicheren Zeiten zu leben, betrifft nicht mehr nur Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak oder Syrien. Sie mussten ihre Heimat ohne Perspektive verlassen und geraten in Europa durch ihren Status als Asylsuchende meist in einen neuen Zustand vollkommener Unsicherheit. Die Erfahrungen von zunehmender Verunsicherung haben in vielen europäischen Gesellschaften einen Kulturkampf ausgelöst, der vor allem von Künstlerinnen und Künstlern sowie Kulturinstitutionen gegen die xenophoben Politiken der Angst geführt wird.

Mit „Uncertain States“ haben wir den Versuch unternommen, diesen Zustand der Verunsicherung und die künstlerischen Antworten darauf zu beleuchten und besser zu verstehen: In der Ausstellung positionierten sich zeitgenössische Künstler, darunter die Akademie-Mitglieder Ayşe Erkmen, Mona Hatoum, Marwan, William Forsythe, Arnold Dreyblatt und Micha Ullman; in einem Erfahrungsraum der Dinge wurden Objekte aus dem Archiv der Akademie gezeigt, die aus der Zeit von 1933 bis 1945 stammen und exemplarisch den Kulturbruch in Deutschland in Erinnerung rufen; und nicht zuletzt wurden in einem Denkraum in mehr als 100 Veranstaltungen die gegenseitigen Rückwirkungen von politischen und künstlerischen Wirklichkeiten in den Blick genommen.

Zentrale Themen waren das kulturelle Gedächtnis als politischer und kultureller Widerstand, die affektiven Strategien künstlerischen Handelns in der zeitgenössischen Kunst oder die emanzipatorische Ästhetik einer postkolonialen Kunstszene. Diese Themenkomplexe korrespondierten auf einer assoziativen Ebene mit dem historischen Horizont der existenziellen Erfahrungen im Nationalsozialismus und den theoretischen Reflexionen.

Entstanden ist ein neues Archiv der Auseinandersetzung und des Denkens, das zum Ausgangspunkt von programmatischen Themen in der Akademie werden wird. So haben Mitglieder der Sektion Bildende Kunst die Initiative ergriffen, konsequent türkische Künstler vorzustellen. Das Thema Europa planen wir, in den nächsten zwei Jahren in Veranstaltungen und einer Ausstellung aufzugreifen. Und in der Fortsetzung unserer Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung werden wir uns dem historischen und aktuellen Thema Kolonialismus widmen.

„Uncertain States“ ist damit mehr als ein Schwerpunktprogramm. Es ist eine programmatische Positionierung der Akademie in Bezug auf die Auseinandersetzung mit den existenziellen Transformationsprozessen in Europa: im Sinne der belgischen Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe eine radikale Behauptung des demokratischen Raums mit den Mitteln der Kunst.

Das gesamte Programm samt einem Ausstellungsrundgangvideo und Audios zum Nachhören finden sie auf unserer Projektwebseite