Schwindel der Wirklichkeit
Und nach den Endspielen? – Plädoyer für ein Theater der Zukunft
„Wahr ist nur, was nicht in diese Welt passt“, heißt es bei Adorno. Warum aber fixiert sich das Theater so auf das Wirkliche? Es hätte doch jede Möglichkeit, nicht immer nur nach-, sondern auch einmal „vor“-zuahmen, ein Theater vor dem Ereignis zu sein, statt eines, das immer nur hinterher rennt. Woher rührt dieses Bilderverbot? Der Berliner Dramatiker und Regisseur Kevin Rittberger beschäftigt sich im Vorbereitungsbüro für den Programmschwerpunkt Schwindel der Wirklichkeit in einem Vortrag mit der Möglichkeit eines utopischen Dramas und einer utopischen Spielweise. Im Anschluss spricht er mit der Kulturwissenschaftlerin Karin Harrasser (Linz) sowie mit dem Musiker und Komponisten Volker Zander (Köln), mit dem Rittberger in mehreren seiner Inszenierungen zusammengearbeitet hat, zuletzt in „Candide. Acting in Concert“ im Düsseldorfer Schauspielhaus im März 2013.
Karin Harrasser ist Professorin für Kulturwissenschaft an der Kunstuniversität Linz. Nach einem Studium der Geschichte und der Germanistik wurde sie mit einer Arbeit über »Computerhystorien« an der Universität Wien promoviert. Neben ihren wissenschaftlichen Tätigkeiten an der Humboldt Universität und an der Kunsthochschule für Medien Köln war sie an verschiedenen künstlerisch/kuratorischen Projekten beteiligt, z.B. NGBK Berlin, Kampnagel Hamburg. Ihre letzte Forschungsarbeit widmete sich einer Kultur- und Wissensgeschichte der Prothetik. Zusammen mit Elisabeth Timm gibt sie die Zeitschrift für Kulturwissenschaften heraus. Kürzlich erschienen: Körper 2.0. Über die technische Erweiterbarkeit des Menschen, Bielefeld (Transcript) 2013.
Kevin Rittberger; geboren 1977 in Stuttgart, lebt in Berlin als Dramatiker und Regisseur. Studium der Neueren Deutschen Literatur sowie der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften. Er arbeitete u.a. am Deutschen Theater Berlin, Schauspielhaus Wien, Residenztheater München, Düsseldorfer Schauspielhaus, Deutschen Schauspielhaus Hamburg und dem Schauspiel Frankfurt. 2010 erhielt Rittberger für seine Bearbeitung von Dietmar Daths Roman “Die Abschaffung der Arten” sowie seine Inszenierung “Nachrichten aus der ideologischen Antike” nach Alexander Kluge den Regiepreis der Akademie der Darstellenden Künste. Sein Drama „Kassandra oder Die Welt als Ende der Vorstellung“ wurde nominiert für die Mülheimer Theatertage 2011, 2012 erhielt er den Jürgen Bansemer und Ute Nyssen Dramatikerpreis. Zuletzt inszenierte Rittberger seine Stücke „Candide. Acting in Concert“ am Düsseldorfer Schauspielhaus sowie „Plebs Coriolan“ am Schauspielhaus Wien. Im Sommer 2014 wird sein Stück „Mulian rescues Mother Earth“ beim Taipei Arts Festival Premiere haben. Anschließend wird er am Nationaltheater Weimar sein neues Stück “Radio Cooperativa” uraufführen.
Volker Zander; geboren 1968 in Fulda, lebt in Köln als Komponist, Musiker und Produzent. Nach einem Studium der Stadtplanung in Kassel war Volker Zander zwischen 1998 bis 2011 Bassist in der US-amerikanischen Band Calexico mit Tourneen durch USA, Europa, Japan. Er betreibt seit 2005 Apparent Extent ein Label für Künstlerschallplatten mit zahlreichen Tonträgern, Konzerten und Aktionen mit bildenden Künstler*innen wie Johanna Billing, Karl Holmqvist, Christian Jendreiko oder Emily Wardill. Sein in Gemeinschaft mit Thomas Weber verfasstes Hörspiel „Ovale Fenster“ (SWR, 2012) mit Texten von Hermann von Helmholtz, Dietmar Dath und Diana Deutsch wurde von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste als “Hörspiel des Monats April 2012″ ausgezeichnet. Der Bühnenautor und Regisseur Kevin Rittberger engagierte Volker Zander als Komponist und Musiker für seine Theaterstücke „Lasst euch nicht umschlingen, Ihr 150000000!“ (Schauspielhaus Frankfurt, 2012) und “Candide – Acting in Concert” (Schauspielhaus Düsseldorf, 2013). Für beide Stücke wählte Zander für die Darstellung von hierachiefreien, kooperativen Gesellschaften textbasierte Notationen selbstregulativer serieller Musik, die vom Schauspielensemble realisiert wurden. Darüber wird er berichten.